Freies Spiel der Kräfte im Parlament: Endlich geht was!
13.06.2019
Das freie Spiel der Kräfte im Parlament ebnet in den Sommermonaten vor der Nationalratswahl zahlreichen guten Gesetzen den Weg: Vom Rechtsanspruch auf den Papamonat, volle Karenz-Anrechnung im Job, über Glyphosat-Verbot bishin zum Nichtraucher-Schutz. Ein Grund: Zum ersten Mal seit 32 Jahren sitzt die ÖVP nicht in der Regierung – und kann wichtige Vorhaben nicht mehr blockieren.
Nach der Auflösung der Schwarz-Blauen Regierung sind die Abgeordneten im Parlament an keine Koalitionszwänge mehr gebunden. Im Juli-Plenum sind 6 neue Gesetze auf den Weg gebracht worden, von denen Millionen Menschen in Österreich profitieren werden. Die ÖVP kann in Sachen Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitspolitik nicht mehr blockieren.
ENDLICH GLYPHOSAT-VERBOT
Glyphosat ist das weltweit meistgenutzte Unkrautvernichtungsmittel. Doch es steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Schon mehrmals wurde der Hersteller Monsanto von US-Gerichten verurteilt.
Dennoch hat die EU das potentiell krebserregende Pflanzengift im November 2017 für weitere 5 Jahre zugelassen. NGOs und Parteien wie die SPÖ und die Grünen haben den Einsatz von Glyphosat jahrelang kritisiert und ein Verbot gefordert.
Nun ist ein Verbot in Sicht: Am 12. Juni 2019 hat das Parlament einen sogenannten Fristsetzungsantrag der SPÖ zum Verbot mehrheitlich angenommen. Das bedeutet, dass in der Parlamentssitzung im Juli 2019 der Antrag der Sozialdemokraten zum Verbot des Glyphosat-Verkaufs beschlossen werden kann. Die ÖVP will kein Totalverbot von Glyphosat, die anderen Parteien haben Zustimmung signalisiert.
ENDLICH EINE ANRECHNUNG VON KARENZZEITEN BEI JOB UND PENSION
Frauen mit Kindern haben Nachteile, wenn sie mehrere Jahre in Karenz sind: Niedrigere Löhne, weil sie weit langsamer vorrücken als Männer, kleinere Pensionen und weniger Urlaub. Die SPÖ hat seit langem gefordert, dass Karenzzeiten vollständig angerechnet werden.
Solange die ÖVP in der Regierung war, ist das immer am Wirtschaftsflügel gescheitert. Denn Frauen mit Kindern bei Löhnen und Urlaubsansprüchen nicht zu diskriminieren, kostet Unternehmern mehr Geld als bisher. Im freien Spiel der Kräfte haben jetzt alle Parlamentsparteien dem SPÖ-Antrag zur Anrechnung zugestimmt – einzig die ÖVP ist nach wie vor dagegen.
Danke des Parlamentsbeschlusses bekommen Frauen im Job nun ihre tatsächlichen Karenzzeiten angerechnet, statt bisher max. 10 Monate. Das beseitigt Nachteile bei Urlaubsansprüchen, der Kündigungsfrist oder dem Aufrücken im Gehalts-Schema.
1,3 Millionen Menschen werden davon profitieren – fast ausschließlich Frauen.
ENDLICH NICHTRAUCHER-SCHUTZ
„Konkret geht es um 52 Herzinfarkte, 82 Schlaganfälle und 150 schwere Lungenentzündungen, die jede Woche vermeidbar wären“, meinte Florian Stigler von der Public Health School. Er und seine Kollegen haben die Gesundheitsfolgen von verrauchten Restaurants, Cafés und Gaststätten abgeschätzt. Eine rauchfreie Gastronomie würde Gäste und Angestellte schützen und sogar das Gesundheitssystem massiv entlasten. Das haben auch fast 900.000 Menschen in Österreich so gesehen – und das Volksbegehren „Don’t Smoke“ unterschrieben. Doch ÖVP und FPÖ haben das Volksbegehren und ExpertInnen ignoriert und das Rauchverbot abgeschafft.
Das freie Spiel der Kräft macht jetzt neue Mehrheiten möglich, um im Interesse der Gesundheit zu handeln: Am 13. Juni 2019 haben vier von fünf Parteien (alle außer die FPÖ) einen Antrag eingebracht, der ein Rauchverbot in der Gastronomie fordert. Beschlossen wird der Antrag im Juli – dann könnte das Rauchverbot schon im November 2019 in Kraft treten.
ENDLICH EIN RECHTSANSPRUCH AUF DEN PAPAMONAT
Die SPÖ, die FPÖ und die Liste Jetzt werden für den Rechtsanspruch auf einen Papamonat stimmen – gegen die Stimmen der ÖVP und der Neos. Gerade die ÖVP hat sich in den letzten Jahren gegen diesen Rechtsanspruch gestemmt: Unzumutbar für die Wirtschaft sei es, wenn Väter ein Recht hätten, vier Wochen bei ihren Babys zu sein! Die Wirtschaftskammer wollte überhaupt einen Kuhhandel und – als Gegenleistung zum Papamonat – den Mutterschutz angreifen und Kosten den Arbeitnehmern überwälzen.
Nun werden sich Unternehmer damit abfinden müssen, dass ihre Angestellten für ihre Familie da sein wollen.
ENDLICH EIN RECHTSANSPRUCH AUF PFLEGE-KARENZ
Wenn der Vater, die Mutter, das Kind oder der Partner plötzlich gepflegt werden muss, ist das für alle Beteiligten ein Einschnitt im Leben. Klar, dass viele da Zeit für die Familie brauchen. Eine Variante – neben Freistellung, Pflege-Teilzeit und ähnlichem – ist die Pflege-Karenz. Ein Arbeitnehmer kann zwischen einem und drei Monaten den Angehörigen pflegen und bekommt dafür für die Zeit Karenzgeld. Bisher war ein Beschäftigter von der Zustimmung des Chefs abhängig, wenn er die Karenz in Anspruch nehmen wollte. Nun bekommen Beschäftigte einen Rechtsanspruch – das haben SPÖ, FPÖ und die Liste Pilz durchgesetzt.
ENDLICH EINE ENTGELT-FORTZAHLUNG FÜR KATASTROPHEN-HELFER
Schon lange fordern die Sozialdemokraten eine rechtliche Absicherung für ehrenamtliche Helfer in Katastrophen-Situationen. Darunter beispielsweise Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, die im Winter bei Schneechaos und im Sommer bei Waldbränden im Einsatz sind. Konkret will die SPÖ einen Anspruch auf 5 Tage Freistellung und eine Entgeltfortzahlung. Zustimmung gibt es von FPÖ und Liste Jetzt – der Antrag wird am 2. Juli beschlossen.
ENDLICH RECHT AUF TRINKWASSER IN DER VERFASSUNG
Sauberes Trinkwasser ist in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit – in Österreich gehört es zum Alltag. Damit das so bleibt und Wasserquellen nicht privatisiert wird, kündigte die SPÖ einen Antrag an, um das Recht auf Trinkwasser per Verfassung zu schützen. Schlussendlich wurde ein solcher Antrag mit allen Stimmen außer der ÖVP unterstützt. So soll sichergestellt sein, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Hand bleibt.
Quelle: kontrast.at