SPÖ Kärnten

Interview mit Beate Prettner: „Pflegekontrolle auch im Privathaushalt“

12.08.2019

  • Kärnten hat österreichweit den höchsten Anteil alter Menschen in der Bevölkerung
  • 1987 betrug der Anteil der über 80-Jährigen in der Kärntner Gesamtbevölkerung 2,8 Prozent (15.190 Frauen und Männer) 2017 waren es bereits 5,9 Prozent
  • Im Jahr 2047 sollen es laut Landesstelle für Statistik 13,3 Prozent oder 74.204 Personen sein
  • In 76 Pflegeheimen werden derzeit 5600 Personen betreut
  • 10.000 Frauen und Männer werden zu Hause von mobilen Diensten versorgt
  • 24-Stunden-Betreuung beanspruchen in Kärnten 2800 Frauen und Männer

Kleine Zeitung: Caritas-Direktor Michael Landau hat zuletzt mit Blick auf alte Menschen betont, Einsamkeit und Armut seien die großen Herausforderungen gerade in Randregionen. Somit trifft dieser Befund für Kärnten mit dem österreichweit höchsten Anteil alter Menschen in der Gesamtbevölkerung am stärksten zu. Welche Weichen setzen Sie?

Beate Prettner:
Ich stimme zu, dass das große Herausforderungen sind. Unsere Antwort war die Abschaffung des Pflegeregresses, damit sich keiner sorgen muss, ob er sich Pflege leisten kann. Unser Konzept umfasst deshalb Pflegenahversorger, die ab Herbst starten. Sie nehmen frühzeitig Kontakt mit der älteren Bevölkerung auf, etwa über Seniorenverbände, und schauen, was Leute individuell brauchen. Da geht es um Vernetzung innerfamiliärer und nachbarschaftlicher Ressourcen, um Angebote in der Gemeinde wie mobile Dienste, betreutes Wohnen.

Kleine Zeitung: Ein großes Problem ist der Mangel an Pflegekräften. Das wird wegen geburtenarmer Jahrgänge künftig noch größer. Was tun Sie, damit die Qualität in Pflegeberufen auch künftig gesichert werden kann und es ausreichend Arbeitskräfte gibt?

Beate Prettner:
Jetzt erst anzufangen, das wäre zu spät. Wir arbeiten seit Jahren sehr intensiv daran. Es gab Änderungen in der Ausbildung. Leute aus anderen Berufen, die umschulen wollen, oder Frauen nach der Karenzzeit werden angesprochen. Unsere Pflegeschulen und die Fachhochschulen gehen offensiv in die Schulen und informieren. Ausgebildet werden Pflegeassistenten, Pflegefachassistenten und diplomierte Pfleger. Wir bewerben den Beruf offensiv und bieten auch mit dem AMS und Heimen berufsbegleitend Sonder- und Aufschulungen an. Wir wollen auch berufsbildende höhere Schulen für Pflege. Dazu waren wir bereits mit dem Bund in intensiven Gesprächen. Doch jetzt gibt es ja keine Regierung. Die Pflege ist ein sehr schöner und auch existenzsichernder Beruf, in dem man ein relativ gutes Einkommen haben kann. 

Kleine Zeitung: In der 24-Stunden-Betreuung sind viele ausländische Kräfte mit teils geringer Ausbildung und mangelnden Deutschkenntnissen tätig. Land und Bund zahlen mit, doch Kontrollen in Privathaushalten sind nicht möglich. Was ist zu tun?

Beate Prettner:
Meine Position ist: Es kann dafür nicht mehr Geld geben, wenn es keine Qualitätskriterien gibt. Wir brauchen Qualitätssiegel und Kontrollen durch ausgebildete Pflegekräfte, ob diese Qualität erbracht wird. Dazu sind wir mit der Wirtschaftskammer, die die Registrierung der Pflegeagenturen überhat, in engem Kontakt. Wir arbeiten an einem Projekt mit einer Rückmeldungsschleife.

Kleine Zeitung: Könnten Hausärzte in Privathaushalten kontrollieren?

Beate Prettner:
Das könnte ich mir gut vorstellen. Doch die Bereitschaft von Hausärzten für Hausbesuche ist endenwollend.

Kleine Zeitung: Was halten Sie von einer Pflegelehre?

Beate Prettner:
Das setzt viel zu früh an. Für 14-Jährige kommt die Pflege schwerkranker Menschen oder Sterbender viel zu früh. Das braucht einen Reifungsprozess.

Kleine Zeitung: Über 80 Prozent der Betroffenen werden zu Hause betreut. Für pflegende Angehörige ist die Situation trotz Hilfsangeboten oft überfordernd. Was kann helfen?

Beate Prettner:
Der Einsatz pflegender Angehöriger hat einen unschätzbaren Wert. Das Land Kärnten hat früh Hilfestellungen und Auszeiten angeboten: Seit Jahren bieten wir Urlaub für pflegende Angehörige zum Auftanken, aber auch zum Sich-Austauschen mit anderen Betroffenen an, es gibt Stammtische für Angehörige mit Experten. Es gibt die Möglichkeit für 28 Tage Kurzzeitpflege in Pflegeheimen. Seit Anfang August ist auch mehrstündige mobile Pflege bis zu zehn Stunden möglich.
Kritiker hinterfragen deshalb, ob die Selbstbehalte für Private überhaupt leistbar sind.
Der Selbstbehalt beträgt 15 Prozent und ist sehr gering gehalten. Für sechs Stunden sind im Schnitt 33 Euro Selbstbehalt zu zahlen. Für zehn Stunden 55 Euro, je nach Einkommen und Pflegegeld.

Kleine Zeitung: Im Vergleich zum Pflegeheim bleibt die Ungerechtigkeit: Wenn jemand zu Hause gepflegt wird, müssen Selbstbehalte für mobile Dienste bezahlt werden, fallen zusätzlich zu Pension, Pflegegeld, Unterstützung von Bund und Land für 24-Stunden-Betreuung oft noch Kosten an, die Angehörige tragen. Müsste es nicht eine Regelung für Gerechtigkeit geben?

Beate Prettner:
Im Pflegeheim wird bis auf 20 Prozent fürs Taschengeld alles an Einkommen einbehalten. Ja, für 24-Stunden-Betreuung gibt es Einkommensverhältnisse, mit denen es sich nicht ausgeht. Änderungen für solche Fälle müssen mit dem Bund passieren. Dafür sind wir offen.

Kleine Zeitung: Das Landesbudget 2020 ist in Arbeit. Welche Budgetsteigerung für Pflege ist auch wegen all der neuen Maßnahmen notwendig?

Beate Prettner:
In der Zielsteuerung gemeinsam mit den mitzahlenden Gemeinden haben wir uns auf ein Budgetplus von 4,6 Prozent geeinigt, damit Weiterentwicklung möglich ist. 2019 geben wir in Kärnten 250 Millionen Euro für Pflege aus.

Kleine Zeitung: Was muss die Basis für ein Altern in Würde sein?

Beate Prettner:
Von der künftigen Bundesregierung muss es das Bekenntnis zur Pflegegarantie geben. Damit jeder, der Pflege braucht, sie in Anspruch nehmen kann. Für Pflege zahlen Bund, Länder, Gemeinden und Betroffene. 

Kleine Zeitung: Pflegeversicherung oder steuerfinanzierte Pflege?

Beate Prettner:
Eine Versicherung würde die ohnehin schon hohen Lohnnebenkosten in Österreich steigern. Eine zusätzliche Belastung der Bürger kommt für mich nicht infrage.

Kleine Zeitung: Sie sind dreifache Mutter, werden wahrscheinlich einmal Enkelkinder haben. Wie wird Pflege in ferner Zukunft erfolgen?

Beate Prettner:
Pflege sollte immer im Netzwerk erfolgen. Es wird die eine oder andere neue technische Unterstützung geben. Aber wichtig bleibt jetzt und in Zukunft die menschliche und wertschätzende Komponente.

Zur Person: Dr.in Beate Prettner ist Landeshauptmann- Stellvertreterin in Kärnten und ihre zuständigen Referate sind
  • Soziale Sicherheit
  • Pflegewesen
  • Gesundheit und Krankenanstalten
  • Tierschutz

Quelle: Kleine Zeitung, 11. August 2019, Andrea Bergmann

Faktbox

  • Kärnten hat österreichweit den höchsten Anteil alter Menschen in der Bevölkerung
  • 1987 betrug der Anteil der über 80-Jährigen in der Kärntner Gesamtbevölkerung 2,8 Prozent (15.190 Frauen und Männer) 2017 waren es bereits 5,9 Prozent
  • Im Jahr 2047 sollen es laut Landesstelle für Statistik 13,3 Prozent oder 74.204 Personen sein
  • In 76 Pflegeheimen werden derzeit 5600 Personen betreut
  • 10.000 Frauen und Männer werden zu Hause von mobilen Diensten versorgt
  • 24-Stunden-Betreuung beanspruchen in Kärnten 2800 Frauen und Männer

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