10. Oktober 2025
10.10.2025
Liebe Kärntnerinnen und Kärntner,
liebe alle in Kärnten lebenden Menschen,
geschätzte Festgäste.
Drage Korošice in Korošeci,
dragi vsi na Koroškem živeči ljudi,
cenjeni častni gostje.
Wir versammeln uns heute, um eines der bedeutendsten Kapitel der Kärntner Geschichte zu würdigen – den Kärntner Abwehrkampf von 1918 bis 1920 und die darauffolgende Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920.
Wir tun das in ehrfürchtigem Respekt vor all jenen Frauen und Männern, die in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Unvorstellbares geleistet und erlitten haben.
Es waren Jahre der Not, der Verunsicherung, des Mangels, der Opfer und Entbehrungen – wirtschaftlich, sozial, politisch. Viele Familien wussten nicht, wie sie ihr Leben bewältigen sollten. Und trotzdem fanden sich in dieser schwierigen Zeit Menschen, die bereit waren, nicht nur Entbehrungen auf sich zu nehmen, sondern auch ihr Leben zu riskieren, um ihre Heimat zu schützen.
Im Kärntner Abwehrkampf 1918 bis 1920 stellten sich deutsch- und slowenischsprachige Kärntnerinnen und Kärntner Seite an Seite den Versuchen des damaligen SHS-Staates entgegen, Südkärnten gewaltsam zu erobern. Sie kämpften nicht für persönliche Vorteile, nicht für Macht, sondern für eine gemeinsame Zukunft in einer damals noch jungen und zerbrechlichen Demokratie – der Ersten Republik Österreich.
Viele von ihnen haben dafür ihr Leben gelassen. Viele Familien haben Väter, Söhne, Brüder verloren. Viele kehrten verwundet zurück, gezeichnet an Leib und Seele. Rund 280 Tote und über 800 Verwundete hatte Kärnten zu beklagen.
Ihnen allen schulden wir Dankbarkeit und ehrendes Gedenken. Ohne ihren Mut, ihre Opferbereitschaft und ihren tiefen Glauben an ein freies Kärnten in einem demokratischen Österreich wäre unsere Geschichte anders verlaufen. Viele starben auch auf der Seite des SHS Staates.
Am 10. Oktober 1920 gaben die Menschen eine klare Antwort: 59 Prozent – davon auch die Mehrheit der Kärntner Slowenen - stimmten im Abstimmungsgebiet für den Verbleib Kärntens bei Österreich. Dieses Ergebnis war weit mehr als ein politischer Akt.
Es war ein Wendepunkt. Es war ein Bekenntnis zur Gemeinschaft, ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Weg über Sprach- und Herkunftsgrenzen hinweg. Es war ein klares, bewusstes Bekenntnis zur Demokratie, zur Eigenständigkeit und zum friedlichen Miteinander. Es war auch ein Signal weit über die Landesgrenzen hinaus: Kärnten kann zusammenstehen – auch und gerade dann, wenn es schwierig ist.
Meine Damen und Herren,
wenn wir heute hier stehen, dann tun wir das im Gedenken und in Dankbarkeit gegenüber unseren Müttern, Vätern, Groß- und Urgroßeltern, die mutig, unerschrocken für eine freie, demokratische Zukunft gekämpft haben.
Doch Gedenken ist niemals Selbstzweck. Es bedeutet auch: Nach vorne zu blicken. Zu fragen: Was haben wir daraus gelernt? Was haben wir seither geschafft? Und was schulden wir jenen, die für unsere Freiheit gekämpft haben?
Kärnten hat seit 1920 viele Hürden überwunden. Die Zwischenkriegszeit, Vertreibung und Aussiedelung, Zerstörung und Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sprachliche Spannungen und politische Gegensätze. Die Herausforderungen des Wiederaufbaus, der Modernisierung, der Globalisierung. Viele dieser Wegstrecken waren steinig. Vieles hat wehgetan. Aber Kärnten ist weitergegangen.
Und damit komme ich zu einem ganz persönlichen Blick:
Heute halte ich meine 13. Rede zum 10. Oktober als Landeshauptmann. Ich erinnere mich noch genau an meine erste – und daran, wie viel Kritik und sogar Empörung es damals auslöste, dass ich ein paar Worte auf Slowenisch sprach. Heute, 13 Jahre später, ist es selbstverständlich. Es ist normal. Es ist gelebte Realität, dass wir beide Landessprachen als Teil unserer gemeinsamen Identität anerkennen und wertschätzen.
Das ist vielleicht das schönste Zeichen der positiven Entwicklung, die Kärnten genommen hat. Ein Zeichen dafür, dass das Pflänzchen des Miteinanders, das wir vor 15 Jahren begonnen haben zu pflegen, inzwischen zu einem starken, lebendigen Baum geworden ist.
Ich danke an dieser Stelle einmal mehr meinem Vorgänger, Gerhard Dörfler. Der die historische Ortstafellösung gemeinsam mit Staatssekretär Ostermayer zustande brachte.
Ja, es gibt sie immer noch, die Versuche, diesen Baum für parteipolitische oder ideologische Zwecke zu beschädigen. Aber diese Versuche sind heute zum Scheitern verurteilt. Denn die große Mehrheit der Kärntnerinnen und Kärntner weiß: Nur im Respekt voreinander, in einem gemeinsamen Europa , als Mitglieder der EU haben wir Zukunft.
Wie sehr wir trotzdem darauf schauen müssen, dieses zarte Pflänzchen zu hegen und zu pflegen, es gegen vereinzelte Versuche beschützen müssen, die ihm schaden wollen, das zeigt uns auch der bedauerliche Vorfall, der viele von uns bewegt hat, am Peršmanhof in Bad Eisenkappel. Er zeigt und auch und besonders am heutigen Gedenktag, dass Geschichte kein Museum ist. Sie lebt, sie wirkt fort, und sie stellt uns immer wieder vor neue Aufgaben.
Der Peršmanhof ist nicht irgendein Ort, er ist ein Symbol. Ein Ort, an dem kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Nationalsozialisten ein furchtbares Massaker an Kärntner Slowenen verübten. Ein Ort, der wie kaum ein anderer mahnt: Nie wieder Faschismus, nie wieder Hass, nie wieder Gewalt.
Daraus müssen wir lernen. Es braucht volle Transparenz und Aufarbeitung, Dialog und das Bewusstsein, dass wir heute eine gemeinsame Verantwortung tragen: Die Verantwortung, dass Erinnerung und Miteinander stärker sind als vorangetriebene Spaltung und Gegeneinander.
Der 10. Oktober ist unser Auftrag: Nie vergessen, woher wir kommen. Und immer wissen, wohin wir wollen. Für ein Kärnten, das Heimat für alle ist, die hier leben.
10. oktober je naša naloga: nikoli ne pozabiti, od kod prihajamo.
In vedno vedeti, kam želimo. Za Koroško, ki je dom za vse, ki tu živijo.
Geschätzte Damen und Herren
wenn wir heute den Kärntner Abwehrkampf und die Volksabstimmung des 10. Oktober 1920 würdigen, dann dürfen wir nicht nur auf historische Schlachten und politische Weichenstellungen zurückblicken. Wir müssen auch erkennen, wie weit wir gekommen sind – und worauf wir gemeinsam stolz sein dürfen.
Nicht zuletzt durch den Zusammenhalt unserer Bevölkerung, durch das Überwinden von Vorurteilen, durch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, durch das aufeinander und auf andere Zugehen aber auch durch die Unterstützung der Bundesregierung und – nicht zu vergessen – der Europäischen Union, der wir seit nunmehr 30 Jahren als gleichberechtigtes Mitglied angehören.
Heute ist Kärnten kein abgehängtes Grenzland mehr, sondern ein selbstbewusstes, innovatives, lebens- und liebenswertes Bundesland im Herzen Europas.
Wir sind ein gefragter Wirtschafts- und Forschungsstandort, Heimat international tätiger Unternehmen und von Weltmarktführern, ein Zentrum für nachhaltige Technologien, grüne Energie, Digitalisierung und Bildung. Unsere Fachhochschulen, unsere Universitäten, unsere Start-ups – sie alle sind Teil einer neuen Kärntner Geschichte, die nicht auf Spaltung, sondern auf Zukunft setzt. Auf eine Zukunft, in die uns unter anderem auch die Koralmbahn mit 250 KmH bringen wird – eine Jahrhundertchance für uns alle, für ganz Kärnten, für den neu aufgehenden Stern des Südens Kärnten-Steiermark.
Wenn wir 2025 gleichzeitig auf 125 Jahre Kärntner Volksabstimmung, 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs, 70 Jahre Staatsvertrag und auf 30 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs zurückblicken, dann wird deutlich: All das, was wir heute als selbstverständlich betrachten, war mühsam erkämpft und teuer bezahlt.
Und es ist nicht garantiert oder selbstverständlich. Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen führen uns das mit bedrückender Klarheit vor Augen. Die Folgen des brutale Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Die Eskalationen im Nahen Osten. Der Aufstieg nationalistischer, demokratiefeindlicher Kräfte in Europa und weltweit. All das zeigt uns: Frieden ist nichts, das einfach da ist. Er muss jeden Tag aufs Neue verteidigt, geschützt und gelebt werden. Genauso wie unsere liberale Demokratie.
Gerade deshalb ist der Geist von 1920 heute so aktuell:
Zusammenhalt statt Spaltung. Demokratie statt Autokratie. Verantwortung statt Gleichgültigkeit.
Wir alle stehen in einer tiefen moralischen Schuld gegenüber jenen Generationen, die uns diesen Weg ermöglicht haben. Unsere Aufgabe ist es, dieses Erbe zu bewahren, es weiterzuentwickeln, und es künftigen Generationen in Würde zu übergeben.
Ich lade Sie daher alle ein, diesen Tag nicht nur als historisches Gedenken zu verstehen – sondern auch als Auftrag: Für ein gemeinsames Kärnten, das sich seiner Geschichte bewusst ist, das die Gegenwart mit Zuversicht gestaltet und das der Zukunft mit Verantwortung begegnet.
Kärnten ist heute ein Land, das selbstbewusst, offen und innovativ in Europa steht. Ein Land, das aus seiner Geschichte gelernt hat und seine Stärke aus dem Miteinander zieht.
Kärnten hat es geschafft, sich selbst neu zu erfinden. Wir können und wir tun es weiter – jeden Tag.
Koroška je uspela, da se je na novo izumila. Mi lahko in mi to počnemo še naprej – vsak dan.
In diesem Sinne
Es lebe unser geliebtes Kärnten – in einem demokratischen Österreich - in einem friedensschützenden Europa.
LH Peter Kaiser
10.10.2025