SPÖ Kärnten

„Die Europäische Menschenrechtskonvention – ein Fundament, das wir nicht zertrümmern, sondern tragfähig halten müssen“

03.06.2025

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist zweifellos ein Grundpfeiler der Nachkriegsordnung in Europa. Sie wurde 1950 als Antwort auf die unfassbaren Menschenrechtsverbrechen des Zweiten Weltkriegs geschaffen. Ihr Ziel war und ist es, einen verbindlichen Schutz für die Würde und Freiheit jedes einzelnen Menschen zu gewährleisten. Heute, mehr als 70 Jahre später, stehen wir vor neuen Herausforderungen, die eine verantwortungsvolle, ergebnisoffene und sachliche Diskussion über die Weiterentwicklung dieser Konvention erfordern – nicht aus populistischer Stimmungsmache, sondern aus dem ernsten Willen heraus, den Geist der EMRK auch unter veränderten globalen Bedingungen weiterzuentwickeln.

Eine sich wandelnde Welt verlangt nach verantwortungsvoller Weiterentwicklung

Unsere Welt hat sich seit 1950 massiv verändert: Globalisierung, Digitalisierung, weltweite Kriegs- und in Zukunft verstärkte klimabedingte Migrationsbewegungen, das Erstarken religiöser und politischer Radikalisierung sowie die Zunahme terroristischer Gewaltakte stellen die Grundfeste unserer friedlich-demokratischen Gesellschaft immer öfter auf die Probe. Die Frage, ob und in welcher Weise die bestehenden Regelungen der EMRK auch in diesen neuen Realitäten effektiv greifen, ist legitim. Sie muss gestellt werden dürfen, ohne dass sofort reflexhafte Vorwürfe gegen jene erhoben werden, die sich für eine sachliche Überprüfung aussprechen.

Es geht nicht um das Aufkündigen der EMRK. Es geht darum, offen zu prüfen, ob ihre Formulierungen – damals aus der Perspektive der Nachkriegszeit getroffen – auch heute noch die notwendige rechtliche Grundlage bieten, um Freiheit und Sicherheit im Gleichgewicht zu halten. Das ist kein Widerspruch, sondern demokratische Verantwortung.

Rechtsstaatlichkeit heißt auch Anpassungsfähigkeit

Ein oft übersehener Punkt in der Diskussion ist die Tatsache, dass Gesetze und völkerrechtliche Vereinbarungen regelmäßig überarbeitet und angepasst werden – nicht um ihre Grundprinzipien aufzugeben, sondern um sie den gesellschaftlichen, technologischen und sicherheitspolitischen Entwicklungen anzupassen.

Die Österreichische Bundesverfassung wurde seit ihrem Inkrafttreten 1920 mehr als hundert Mal novelliert. Auch die Datenschutz-Grundverordnung der EU ist eine Antwort auf eine völlig veränderte Datenwelt im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor. Warum also sollte ausgerechnet die EMRK einem nahezu heiligen, unveränderbaren Status unterliegen – obwohl sich die Rahmenbedingungen für ihren Anwendungsbereich stark verändert haben?

Der Schutz der liberalen Demokratie erfordert Handlungsfähigkeit

Unsere liberale Demokratie lebt vom Ausgleich: der Schutz individueller Grundrechte muss stets mit der Sicherheit der gesamten Gemeinschaft in Einklang gebracht werden. In Fällen schwerer Gewalt, Radikalisierung oder Terror darf nicht der Eindruck entstehen, dass demokratische Rechtsstaaten durch eigene Regeln in eine Handlungsunfähigkeit gedrängt werden. Wenn Menschen das Vertrauen verlieren, dass der Staat sie schützen kann, dann geraten nicht nur Grundrechte, sondern auch demokratische Institutionen insgesamt unter Druck.

Wer die EMRK auf den Prüfstand stellt, stellt nicht ihre Werte infrage – sondern versucht, sie an neue Herausforderungen anzupassen, damit sie nicht zur Zielscheibe demokratiefeindlicher Kräfte wird.

Aufklärung statt Populismus

Eine solche Debatte darf jedoch keinesfalls auf dem Boden von Angst, Vorurteilen oder plakativer Vereinfachung geführt werden. Es braucht eine breite öffentliche Information über die Entstehung, Bedeutung und Zielsetzung der EMRK – sowohl aus historischer Sicht als auch im Hinblick auf ihren heutigen Anwendungsbereich.

Wissen ist der beste Schutz gegen populistische Verzerrung. Nur wer versteht, wie und warum die EMRK entstanden ist, kann auch mitreden, wenn es darum geht, ob und wie sie weiterentwickelt werden sollte.

Ein Aufruf zur Vernunft

Ich rufe daher zu einer offenen, unideologischen Diskussion auf: Lassen wir nicht zu, dass extreme Positionen von rechts wie links diese wichtige Debatte kapern. Lassen wir stattdessen Raum für Besonnenheit, für Expertise, für vorausschauende Verantwortung. Eine Demokratie ist stark, wenn sie bereit ist, sich selbst zu reflektieren und ihre Instrumente weiterzuentwickeln – und sie ist gefährdet, wenn sie sich in Formalismen verkriecht und Debatten verweigert.

Die EMRK ist ein Meilenstein europäischer Zivilisation. Aber auch Meilensteine brauchen hin und wieder ein stabiles Fundament, um nicht unter neuen Belastungen zu zerbrechen. Es geht darum, die Substanz zu erhalten – durch Anpassung, nicht durch Ablehnung.

Dr. Peter Kaiser
Landeshauptmann von Kärnten
Vorsitzender der SPÖ Kärnten

Faktbox

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist zweifellos ein Grundpfeiler der Nachkriegsordnung in Europa. Sie wurde 1950 als Antwort auf die unfassbaren Menschenrechtsverbrechen des Zweiten Weltkriegs geschaffen. Ihr Ziel war und ist es, einen verbindlichen Schutz für die Würde und Freiheit jedes einzelnen Menschen zu gewährleisten. Heute, mehr als 70 Jahre später, stehen wir vor neuen Herausforderungen, die eine verantwortungsvolle, ergebnisoffene und sachliche Diskussion über die Weiterentwicklung dieser Konvention erfordern – nicht aus populistischer Stimmungsmache, sondern aus dem ernsten Willen heraus, den Geist der EMRK auch unter veränderten globalen Bedingungen weiterzuentwickeln.

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